Der letzte Tango von Madame Ivonne Theaterstück von Raffaella Passiatore „Madame Ivonne strandet so um 1930 in Argentinien. Geplagt von Heimwehgefühlen ins ferne Paris, dem künstlerischen Mittelpunkt, der Freiheit und der Lebensart Europas, betritt sie, nur mit einem Koffer die Bühne. Man erkennt sie als einen entwurzelten und zuletzt waidwunden, verletzten Menschen.“(Georg Reittner) Sie ist nach Buenos Aires ausgewandert, um ihrer Liebe zu folgen. Diese Liebe wird sie in die Armut und letztlich in ein Bordell in Buenos Aires bringen. Eine einfache Geschichte, die aber, zwischen den Zeilen, sehr viel von der historischen, sozialen und emotionellen Welt jener Jahre erzählt. Sie zeigt Momente aus dem künstlerischen Milieu und dem Ursprung des Tangos. Es bewegt sich alles zweiseitig: Kontrast zwischen Traum und brutaler Realität, zwischen romantischer Liebe und Prostitution und zwischen moralischen und verbrecherischen Werten. Diese Themen sind alle für ein tiefes Verständnis der Seele des Tangos notwendig. Die Musiker spielen auf der Bühne und werden in das szenische Geschehen eingebunden. Das gesprochene Wort treibt die Handlung voran, der Tanz und der Gesang beschreiben das emotionelle Geschehen, ähnlich einer klassischen Oper. Musik und Liedertexte: Alguien le dice al Tango (Jemand spricht zum Tango) Musik: Astor Piazzolla Text: Jorge Luis Borges Bearbeitung: Raffaella Passiatore Ich habe den Tango tanzen gesehen, gegen den gelben Sonnenuntergang. Für die, die einen anderen Tanz können - den Tanz der Messer. Tango, von jener Maldonado mit weniger Wasser als Schlamm, Tango – gepfiffen, während ein Wagen vorüberfährt. Sorgenlos und frei immer vorwärtsschauend. Tango, Du warst das Glück, Mann und voller Würde zu sein. Tango, der glücklich war, so wie ich es auch war, wie meine Erinnerung mir erzählt; die Erinnerung war das Vergessen... Seit diesem Gestern, wie viele Sachen sind uns beiden passiert! Die Spiele und die Schwere, lieben und nicht geliebt zu werden. Ich werde tot sein – und doch werde ich weiter unserem Leben lauschen. Buenos Aires, vergiss es nicht, Tango, der immer war und immer ist. Mi Buenos Aires Querido (Mein geliebtes Buenos Aires) Musik: Carlos Gardel Text: Alfredo Le Pera Bearbeitung: Raffaella Passiatore Du meine Liebe, Buenos Aires, wenn ich Dich wiedersehe, wird es keine Schmerzen und kein Vergessen mehr geben. Dieses kleine Straßenlämpchen, wo ich geboren bin, war der Wächter meines Liebesversprechens - unter seinem ruhigen Licht habe ich zum ersten Mal mein Mädchen gesehen - leuchtend wie eine Sonne. Hoffentlich erlaubt mir das Schicksal, Dich wiederzusehen, Du argentinische Stadt, meine einzige wahre Liebe. Ich höre das Jammern eines Bandoneons, und in meiner Brust bittet mein Herz, die Zügel frei zu lassen. Mein Buenos Aires – blühende Erde, wo mein Leben enden wird, unter Deinem Schutz gibt es keine Enttäuschung, die Jahre fliegen – man vergisst den Schmerz. Wie eine Karawane ziehen die Erinnerungen vorbei, wie Sterne voll süßer Emotionen. Du sollst wissen, dass, wenn ich Dich anrufe, alle Schmerzen mein Herz verlassen. Du meine Liebe, Buenos Aires, wenn ich Dich wiedersehe, wird es keine Schmerzen und kein Vergessen mehr geben. Dieses kleine Straßenlämpchen, dort, wo ich geboren bin, war der Wächter meines Liebesversprechens - unter seinem ruhigen Licht habe ich zum ersten Mal mein Mädchen gesehen - leuchtend wie eine Sonne. Te Quiero, che (Ich liebe Dich, doch..) Musik: Astor Piazzolla Text: Horacio Ferrer Bearbeitung: Raffaella Passiatore Ich liebe Dich, liebe Dich,... weil ich Dich liebe, doch! Ich liebe Dich, liebe Dich,... weil ich Dich liebe, doch! Aufpassen... wenn ich Dich in irgendeiner Strasse treffe, liebe ich Dich mit einer Liebe, ursprünglich, wunderschön und frech ... an der Stelle dort werde ich Dir meinen wichtigsten Kuss geben, gleich, wie der erste Kuss in der ersten Stadt. Wenn ich Dich treffe, werden die Straßenarbeiter den Asphalt bemalen mit Zebras – weiß und gelb – und ohne zu wissen, warum. werden sie auf die ganze Straße schreiben: „ich liebe Dich“; und die Leute werden, getrieben von einem komischen Instinkt, in der Mitte vom Platz alle Bücher verbrennen, in denen nicht steht: „ich liebe Dich“. Ich liebe Dich, liebe Dich,... weil ich Dich liebe, doch! Ich liebe Dich, liebe Dich,... weil ich Dich liebe, doch! Gepanzert von einer Umarmung und einem zeitlosen Kuss.. was für ein Skandal werden wir sein – welche zwei Wahnsinnigen - sich liebende Liebende. Ich Frau – Du Mann, so wie die erste Frau, der erste Mann. Wenn ich Dich treffe, werde ich auf der Bühne des „Teatro Colon“ in der Mitte einer Galavorstellung für Dich singen: „Ich liebe Dich“ – so lang wie eine Oper; und vom Fluss bis Liniers sind die Schornsteine die Pfeifen eines Harmoniums im Delirium, das spielt: „Ich liebe Dich“ Ich liebe Dich, liebe Dich,... weil ich Dich liebe, doch! Ich liebe Dich, liebe Dich,... weil ich Dich liebe, doch! Primavera portena (Argentinischer Frühling) instrumental Musik: Astor Piazzolla Bearbeitung: José Bragado Oblivion (Land des Vergessens) instrumental Musik: Astor Piazzolla Bearbeitung: José Bragado Milonga de la anunciación (Milonga der Verkündigung) Musik: Astor Piazzolla Text: Horacio Ferrer Bearbeitung: Raffaella Passiatore Drei Marionetten – bucklig und toll – die mir gestern ein Veilchen in den Mund steckten, stopfen mit einem Messer zwischen den Zähnen in die Innenseite meiner grauen Hüften einen großen Flicken aus Blüten von Fenchel und Sisal. Ay!.... Schmächtig und gefesselt – so gekettet! – rührt sich in meiner Stimme trommelnd wie ein Vierspänner ein Jesus, ein übermütiger kleiner Canyengue mit einem Rhythmus in Kreuzstich; und eine sanfte Tontaube vom Kreuz des Südens, die mich erzittern ließ. Und ein Engelchen aus Ton, blind vom Schrei in der morschen Verlassenheit eines Geländers und einen Psalm palavernd, band mir mit einem Jasmin eine kleine Sonne von Milch über das Mieder, welch zwei Lichtkrämpfe spüre ich unter der Haut! Zeig´s ihnen, Maria! Wenn neun Klagen das ganze miserable Mysterium sind, das ich erleben sollte, welch irrwitziges Dornenziel verfolgst Du! welch harter himmlischer Ast will Dich brechen! Zeig ihnen, dass sie bereit ist zu erscheinen! Zeig ihnen, dass sie gut leidet! Ay!.... Ich bin erfüllt von soviel Liebe, dass ich aus einer einzigen Liebe unseren Gott gebären kann! Und wenn niemand mehr aus mir geboren werden will in der geklauten Maske irgendeines Kaplan, - ich werde in meinen Armen einen Stiefel stillen! Otono porteno (Argentinischer Herbst) instrumental Musik: Astor Piazzolla Bearbeitung: José Bragado El dia que me quieras (Der Tag, an dem Du mich lieben wirst) Musik: Carlos Gardel Text: Alfredo Le Pera Bearbeitung: Raffaella Passiatore Meine Tagträume werden umschmeichelt sein vom sanften Raunen Deiner Seufzer. Mein Leben wird lachen, wenn Deine dunklen Augen mich ansehen werden! Dein helles Lachen, das wie ein Lied klingt, wird mein Trost sein. Meine Wunden werden heilen, und alles wird vergessen sein. An dem Tag, an dem Du mich lieben wirst, schmückt sich die Rose in ihren schönsten Farben. Im Wind erzählen sich die Glockenblumen, dass Du zu mir gehörst. Und die sprudelnden Quellen werden von Deiner Liebe sprechen. In der Nacht, in der Du mich lieben wirst, werden die funkelnden Sterne vom dunklen Himmel sehen, wie wir vorübergehen. Und ein mysteriöser Strahl wird sich in Deinem Haar verfangen, ein neugieriges Glühwürmchen, es wird sehen, dass Du mein Trost bist. Poema Valseado (Walzergedicht) Musik: Astor Piazzolla Text: Horacio Ferrer Bearbeitung: Raffaella Passiatore Ein Bandoneon, in dem meine Traurigkeit geschrieben steht, hat mir heute zwei Beben in die Kehle gemischt: mit Geschmack nach Süden gab es mir das Beben der Milonguita und ein anderes – schlimmeres – das nach Norden schmeckt, und niemand singt ...! Vom Bandoneon, das nach Schatten von Zuhältern riecht, höre ich Erzengel der Hurenhäuser seinen schurkischen Akkord von sieben Stimmen spielen, die siebenfach klingen und immer – immer – meine sind. Wenn ich bis zur Umarmung des Todes Begierde fühle, und mich jeder Schmeichelei ein wenig hingebe, welcher Schmerz würde nicht mehr mein Schmerz sein! welche gemeine List, die nicht mehr meine sein kann! Und ich werde ein Rest von Tangoasche sein; und die halbe Liebe wird mir vom Ende her zuzwinkern, und, trotzdem werde ich für zwei Münzen ein neues Leben entzünden über einer mondsüchtigen Falte des Mieders. Ich werde trauriger, ausgegrenzter, beraubter sein als der furchtbare Tango, der noch nie jemand war; und Gott werde ich, tot und auf dem Weg ins Nichts, das krampfhafte Beben von hundert Marias schenken ... Ein neuer Wind der Rose der Winde rührt den Ton eines Bandoneon in meiner Einsamkeit. Und das Bandoneon hat eine Kugel im Atem, um meinen Tod herauszuschreien im Ton eines einzigen Schusses ... A Don Nicanor Paredes (Für Don Nicanor Paredes) Musik: Astor Piazzolla Text: Jorge Luis Borges Bearbeitung: Raffaella Passiatore Hier kommt ein Arpeggio und jetzt, wenn Ihr es mir erlaubt, möchte ich singen, Damen und Herren, für Don Nicanor Paredes. Nicht hart und tot habe ich ihn gesehen nicht ein einziges Mal krank; so sehe ich ihn mit sicherem Schritt seine Burg Palermo betreten. Der Schnurbart ein bisschen grau, aber mit leuchtenden Augen und in der Nähe seines Herzens eine Beule vom Messer. Das Messer eines Todes, von dem er nicht gerne sprach sprechen; irgend ein schlechtes Schicksal beim Pferdewetten und Würfeln. Sogar in der Eingangstür. Der war der Kopf, der, wenn ich mich nicht irre, die Rechnung gemacht hat, in den Jahren der mafiosen Zeit 1890. Glatt und hart die Haare und mit dem Aussehen eines Stieres; einen Mantellino auf einer Schulter mit einem prachtvollen Ring am Finger. Wenn zwischen diesen Verbrechern ein Streit eskalierte, hat er das gestoppt, mit einem einzigen Schlag, mit einem Schrei oder mit der Peitsche. Jetzt ist er gestorben und mit ihm - so viele Erinnerungen löschen sich aus! Erinnerungen an jenes verlorene Palermo mit seinen Wiesen und seinen Messern. Jetzt ist er gestorben und ich sage mir: Don Nicanor, was werden sie machen ihn einem Himmel ohne Pferde, ohne Reizen, ohne Hazard, ohne Asse.